Acetazolamid (ACZ), ein Sulfonamid-Derivat, ist das älteste Diuretikum unter den im Handel erhältlichen. Obwohl es heutzutage selten verwendet wird, hat es sich aufgrund seiner Nützlichkeit bei Glaukom und nicht wegen seiner diuretischen Eigenschaften erhalten.1
Seine Rolle bei der Behandlung von Ödemen ist aufgrund von zwei wesentlichen Tatsachen begrenzt: die Induktion einer metabolischen Azidose aufgrund des Bikarbonatverlustes der Nieren und der kompensierende Reabsorptionseffekt in den distalen Segmenten, die seine vollständige Verwendung ausschließen, wie in Abbildung 1 dargestellt. Diese Umstände schränken die Anwendung ein und stellen ein besonderes Problem für das Management dar. Auf der Grundlage der jüngsten klinischen Erfahrungen und der Literaturdaten sind wir jedoch der Meinung, dass ACZ bei ödematösen Syndromen und insbesondere bei Herzinsuffizienz (HF) eine wichtigere Rolle spielt als nur die übliche. Außerdem unterstreichen die Bemerkungen, die wir zu ACZ machen, einmal mehr die klassische Aussage, dass HF niemals als refraktär angesehen werden kann, solange keine ausreichenden und wirksamen Kombinationen von Diuretika eingesetzt wurden.
Die Punkte, die wir hervorheben, werden durch die folgenden realen klinischen Fälle, die im letzten Jahr behandelt wurden, noch deutlicher dargestellt.
Fall 1
Hier handelt es sich um eine 75-jährige Frau mit wiederholten Einweisungen wegen HF und einer persönlichen Anamnese von AHT, DM Typ 2, Vorhofflimmern und Schrittmacherimplantation, pulmonaler Hypertonie, Trikuspidalregurgitation und leichter RF. Sie wurde erneut wegen Dekompensation aufgenommen, mit einem pO2 von 54 mmHg, Oligurie und Anasarka, progressiven Ödemen der unteren Extremitäten, Pleura- und Perikarderguss. Die Laboruntersuchung ergab KP + 6,4 mEq/L, Na+ 134 mEq/L, Kreatinin 4,3 mg/dL. Die venösen Blutgase zeigten einen pH-Wert von 7,42 und ein Bikarbonat von 22,1 mEq/L. Sie wurde mit einer Furosemid-Dauerinfusionspumpe behandelt, wobei das Diuretikum schlecht ansprach und eine anhaltende Hyperkaliämie von KP + 7 mEq/L sowie eine schwere Na+-Retention -Na+ p/u-Verhältnis von 126/22 mEq/L auftraten. Angesichts der schlechten klinischen Situation wurde eine Blockade der verschiedenen klinischen Segmente mit ACZ, Furosemid und Hydrochlorotiazid eingeleitet. Um den Bikarbonatspiegel über 22 mmol/L zu halten, wurden pulsierende Gaben von 1M Bikarbonat verabreicht. Die klinische Besserung und das Ansprechen auf das Diuretikum waren bemerkenswert, mit einer negativen Bilanz von 30 Litern in 20 Tagen, einer Normalisierung des Kaliumspiegels und einem Rückgang des Kreatinins auf 1,3 mg/dL. Dieser Fall ist bemerkenswert wegen des Ausmaßes der diuretischen Reaktion, die nur mit einer multisegmentalen tubulären Blockade erreicht werden konnte.
Fall 1
Es handelt sich um eine 71-jährige Frau mit DM, Mitralklappenprothese aufgrund einer Stenose, schwerer Trikuspidalklappenregurgitation, langsamem Vorhofflimmern, einem Herzschrittmacher und pulmonaler Hypertonie. Sie wurde wegen kongestiver HF eingeliefert und erhielt eine Therapie mit Furosemid, Spironolacton und Captopril. Bei der Einlieferung hatte sie Durchfall, gefolgt von Synkopen und schwerer Bradykardie. Das EKG, das wir wegen seines pädagogischen Werts zeigen (Abb. 2), zeigte eine Schrittmacherinsuffizienz und spitze T-Wellen. Die Laboruntersuchung ergab einen KP + von 8,6 mEq/L. Sie wurde mit i.v. Kalziumglukonat, Insulin und Traubenzuckerflüssigkeit behandelt, wodurch sich die Myokardaktivität erholte, obwohl nach 12 Stunden Therapie ein pathologisches Kaliumungleichgewicht (K+ p/u = 7/14 mEq/L) fortbestand. Daher wurden ACZ und gepulstes Natriumbicarbonat 1M hinzugefügt, wodurch innerhalb der folgenden 24 Stunden eine Änderung des Kaliumhaushalts (K+ p/u = 4,1/54 mEq/L) erreicht wurde.
Auch hier ist, wie in Fall 1, die Verwendung von Bicarbonat das entscheidende Element, da es ACZ sein „Arbeitsmaterial“ liefert und die Aufrechterhaltung seiner Wirkung ermöglicht. Das Interesse dieses Falles liegt in der Verwendung von ACZ als fördernder Faktor für die K+-Clearance, verstärkt durch die Zugabe von Bicarbonat, das seiner säurebildenden Wirkung entgegenwirkt.
Fall 3
Hier handelt es sich um einen 91-jährigen Mann, hypertensiv, mit einer persönlichen Vorgeschichte von operiertem Dickdarmkrebs, Lungenentzündung und Eisenmangelanämie. Er wurde wegen fortschreitender Schwäche der unteren Gliedmaßen konsultiert, die mehrere Tage nach der Substitution von Thiazid durch Spironolacton auftrat. Es wurden eine schwere Hyperkaliämie (K+ 9,6 mEq/L), eine metabolische Azidose (Plasmabicarbonat 12,8 mmol/L) und ein Kreatinin von 1,5 mg/dL mit spitzen T-Wellen im EKG festgestellt. Nach einer Behandlung mit Kalziumglukonat, Insulin und Bikarbonat erlangte er seine Mobilität wieder, allerdings mit anhaltender Hyperkaliämie und niedrigem K+ p/u = 8,3/22 mmol/L. Es wurde mit ACZ begonnen, und wie in den vorangegangenen Fällen wurde der Bikarbonatspiegel mit gepulsten Dosen (50 mmol) Natriumbikarbonat 1M aufrechterhalten, wobei sich die Kaliumwerte (4,2/64 mmol/L) innerhalb von 24 Stunden normalisierten.
Wie im vorangegangenen Fall zeigt dieser Fall eine praktische Möglichkeit, eine Kaliurese trotz einer distalen Blockade der K+-Clearance durch Anti-Aldosteron-Mittel zu erreichen. Die anfängliche Azidose war kein Hindernis für den Einsatz von ACZ, da der potenzielle negative Effekt durch den Einsatz von Bikarbonat ausgeglichen wurde.
Fall 4
Hier handelt es sich um eine 76-jährige Frau mit einer Vorgeschichte von AHT, DM, Dyslipämie, morbider Adipositas, chronischem Vorhofflimmern, dilatativer Kardiomyopathie mit mehreren Einweisungen wegen HF, chronischer respiratorischer Insuffizienz, Hypothyreose und Anämie. Sie wurde wegen Kurzatmigkeit bei minimaler Anstrengung und Anasarka aufgenommen. Die Plasmakreatininwerte betrugen 0,66 mg/dL, Natrium 121 mEq/L, Kalium 3,6 mEq/L, Bikarbonat 22 mEq/L. Sie wurde zunächst mit Schleifendiuretika und Wasserrestriktion behandelt, sprach aber kaum auf die Diuretika an und zeigte 72 Stunden später eine Oligurie von 480 ml/24 h mit anhaltendem ödematösem Zustand und sich verschlimmernder Dyspnoe. Wegen des fehlenden Ansprechens auf Furosemid führten wir eine vollständige Tubulusblockade mit ACZ, Furosemid, Hygroton und Spironolacton durch; wegen der bestehenden Hyponatriämie wurden 100 mmol i.v. Bikarbonat 1M infundiert, wodurch ein Anstieg des Plasmaspiegels auf 26 mEq/L erreicht wurde. Innerhalb von 48 Stunden wurde eine signifikante klinische Verbesserung erreicht, mit einer negativen Flüssigkeitsbilanz von 2 Litern, mit einem anhaltenden Trend bis zum Verschwinden der Anasarka innerhalb von 10 Tagen und einer damit verbundenen Normalisierung der Wasser- und Elektrolytparameter. Die intravenöse Gabe von Bikarbonat wurde fortgesetzt, wobei die Dosis nach Bedarf titriert wurde, um Plasmaspiegel ≥ 22 mmol/L (30-50 mmol/Tag) zu halten. Abbildung 3 zeigt den dramatischen Anstieg der Natriurese bei Verwendung der Diuretika-Assoziation, die deutlich höher ist als die verabreichte Bikarbonatmenge. Es ist interessant zu sehen, wie Spironolacton die kaliuretische Wirkung von ACZ moduliert und so eine übermäßige Kp-Abnahme verhindert.
PROBLEME, die durch die Verwendung von ACZ-haltigen diuretischen Assoziationen gelöst werden können
Die Hauptanwendungsgebiete von ACZ, die wir in den Fällen illustrieren, sind refraktäre Ödeme und Hyperkaliämie in Gegenwart einer Aldosteronblockade. Andere Autoren haben diese Therapie auch erfolgreich bei Chloriddepletion-induzierter Alkalose, Höhenkrankheit und Schlafapnoe in Verbindung mit Herzinsuffizienz eingesetzt.2-4
Im ersten Fall beziehen wir uns auf das so genannte echte refraktäre Ödem und nicht auf dasjenige, das durch Diätverstöße oder mangelnde Befolgung der verordneten Medikamente verursacht wird. Die Resistenz gegenüber einer Diuretikatherapie kann bei verschiedenen Ödemzuständen auftreten und ist im Allgemeinen auf das Auftreten von tubulären adaptiven Veränderungen mit Überexpression und/oder Induktion der Transporteraktivität zurückzuführen, die durch Diuretika gehemmt werden. Diese Anpassungen finden zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt, unmittelbar durch die direkte Stimulierung der Na+-Rückresorption in Segmenten, die distal vom Wirkort des Diuretikums liegen, mit postdiuretischer ClNa-Retention und langfristig mit dem so genannten „Bremsphänomen“.5, 6 Unter diesen Umständen hat sich die Kombination von Diuretika, die in verschiedenen tubulären Segmenten wirken, als äußerst wirksam erwiesen, selbst bei Patienten mit eindeutig ungünstigen Umständen für die Einleitung der Diurese. Obwohl die Kombination aus einem Schleifendiuretikum und einem Thiazid am häufigsten verwendet wird, ist die Hinzufügung von Diuretika, die auf verschiedene Segmente wirken, eine überlegene Alternative.7, 8 Indem ACZ die Flüssigkeitsmenge in der Henle-Schleife deutlich erhöht, wirkt es als Verstärker der Furosemidwirkung. Durch die Zugabe eines Thiazids und eines distalen Diuretikums wird die diuretische Abdeckung aller Nephronsegmente sichergestellt. Möglicherweise wird diese Kombination in Zukunft um ein fünftes Element ergänzt, den V2-Vasopressin-Antagonisten, der ausschließlich auf den Wassertransport im Sammeltubulus einwirkt.
Im besonderen Fall der HF korreliert das Ansprechen auf das Diuretikum deutlich mit der niedrigen Natriumausscheidung vor der Behandlung (Na+FE). Dies zeigt sich besonders deutlich bei Patienten mit einer Na+FE, die deutlich unter dem Normalbereich (®) liegt, weil die antiandrogene Wirkung fehlt. Jüngste Studien haben den therapeutischen Wert von Eplerenon voll bestätigt.9-12
Der zweite Aspekt, der die Anwendung von ACZ aktueller macht, betrifft die deutliche Zunahme der Häufigkeit von Hyperkaliämie im Zusammenhang mit der kompetitiven Hemmung der Aldosteronrezeptoren, eine direkte Folge der Veröffentlichung der RALES-Studie.13-16 Diese Art von Hyperkaliämie ist schwer zu beheben und erfordert sogar extrakorporale Ausleitungstechniken, da die Blockade der Kalium-Harnausscheidung durch Anti-Aldosteron-Mittel tagelang andauert. Durch die Verwendung einer ACZ-haltigen Assoziation wird die Kaliumausscheidung durch einen nicht resorbierbaren Anioneneffekt induziert, wie die Fälle 2 und 3 zeigen. Abbildung 4 zeigt ein Schema des Mechanismus, über den dies geschieht. In dieser Situation kann die von uns vorgeschlagene Kombination äußerst nützlich sein, um eine im Wesentlichen unlösbare Situation zu entschärfen.
VERWENDUNG VON ACETAZOLAMID
ACZ wurde aufgrund der oben genannten Einschränkungen nicht als Medikament der ersten Wahl angesehen. Die Wirksamkeit von ACZ nimmt linear ab, wenn der Plasmabikarbonatspiegel unter dem Normalwert liegt. Im Gegensatz dazu ist seine Wirkung bei hohen Bikarbonatwerten vollständig, so dass es ein sehr interessantes ergänzendes Medikament ist, wenn Thiazide oder Furosemid verwendet werden, insbesondere in hohen Dosen, die diese Patienten besonders anfällig für Alkalose machen. So wurde ACZ, wie bereits erwähnt, bei chloridinduzierter Alkalose eingesetzt; in diesem Sinne ist es wichtig und von praktischer Bedeutung, daran zu erinnern, dass die Verwendung von ACZ zu diesem Zweck keine täglichen Dosen erfordert und als zwei- bis dreimalige wöchentliche Kur verwendet werden kann.
Der wichtigste Aspekt, den es hervorzuheben gilt, ist, dass ACZ zwar unter Alkalosebedingungen natürlich am wirksamsten ist, seine Wirkung aber auch durch die Aufrechterhaltung eines normalen Bikarbonatspiegels durch die Infusion kontrollierter Mengen von i.v. Bikarbonat herbeigeführt werden kann, wie in den vorgestellten Fällen gezeigt wurde. Unter diesen Umständen liegt es auf der Hand, dass zur Erzielung einer vollständigen Wirkung Assoziationen erforderlich sind, die zusätzlich zu ACZ ein Schleifendiuretikum und ein Thiazid umfassen sollten. Die Hinzufügung eines distalen Diuretikums hängt von der gewünschten Wirkung ab, entweder Ödem oder Kalium-Clearance.
WIRKUNG, PHARMAKOLOGIE UND MÖGLICHE NEBENWIRKUNGEN VON ACETAZOLAMID
ACZ wirkt durch Hemmung der Kohlensäureanhydrase, die sich hauptsächlich auf der apikalen und basolateralen Basalmembran und im Lumen des proximalen Tubulus befindet, und induziert Natriurese, Kaliurese und Bikarbonaturie (Abb. 5). Abbildung 5 zeigt insbesondere die Wirkung von ACZ auf das Bikarbonat im Urin.
ACZ wird schnell resorbiert und erreicht maximale Konzentrationen p.o. innerhalb von 2 Stunden mit einer Halbwertszeit von etwa 12 Stunden. Die übliche Dosis beträgt 250-500 mg alle 12-24 Stunden.o. von ACZ 2 Stunden vor der Einnahme des Schleifendiuretikums.
Ein selten genutztes, aber wirksames Mittel besteht darin, den Mechanismus mit i.v. Bikarbonat zu „grundieren“; umgangssprachlich kann man sagen, dass eine gewisse Menge Na+ als Bikarbonat „geboten“ wird, um wesentlich mehr zurückzubekommen. Das Bikarbonat hält die ACZ aktiv, indem es eine anhaltende Bikarbonaturie und den anschließenden tubulären Flüssigkeitsentzug ermöglicht. Unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des HF-bedingten Ödemmanagements und immer unter Berücksichtigung der Salzrestriktion empfehlen wir die sequentielle Zugabe von Diuretika, sofern Zeit und Schweregrad dies zulassen, nach folgendem Schema: i) Beginn mit Thiazid, wenn die CrCl > 50 mL/min ist, oder mit Furosemid, wenn die CrCl niedriger ist; ii) Kombination beider; iii) Zugabe eines Aldosteronantagonisten; iv) Zugabe von ACZ. Mit dieser Reihenfolge lassen sich hohe Na+FE-Werte (5 % oder mehr) erreichen. Wenn man bedenkt, dass der EFK unter denselben Umständen bei etwa 70 % liegen kann, besteht ein offensichtliches Risiko bei der Kombination von Diuretika in einer Hypokaliämie. Diese kann teilweise durch die Verwendung von Na:K-Kanalblockern wie Amilorid oder Aldosteronantagonisten begrenzt werden, wobei der wichtigste Punkt die Verwendung von K-Supplementen in Mengen ist, die den Urinverlusten entsprechen.
Zusammenfassend bringt die vorliegende Arbeit ACZ, ein unnötigerweise vergessenes Diuretikum, auf eine wichtige Ebene für die direkte Anwendung unter den Bedingungen der aktuellen kardiologischen Praxis. Wir empfehlen auf jeden Fall seinen Einsatz bei HF-bedingten refraktären Ödemen, bei Hyperkaliämie infolge von Aldosteronblockade und bei Diuretika-assoziierter Alkalose.
HINWEISE
Die Autoren danken der Fundación Jiménez Díaz-Capio und der Spanischen Gesellschaft für Nephrologie (S.E.N.) für ihre Unterstützung bei der Durchführung der Studie. Ein Teil der in dieser Übersicht enthaltenen Informationen wurde auf dem von der S.E.N.-Almirall organisierten Elektrolytkurs für Nephrologie-Praktikanten vorgestellt, der im November 2007 in Avila stattfand.