Klinische Bedeutung
Da die periphere Pulskontur durch die linksventrikuläre Auswurfleistung und die Gefäßeigenschaften bestimmt wird, liegt der Schwerpunkt auf dem Vorhandensein oder Fehlen eines Pulses sowie auf hypokinetischen oder hyperkinetischen Pulsen. Das Fehlen eines Pulses könnte auf einen Verschluss durch einen Thrombus, einen Embolus oder eine Dissektion hindeuten. Fehlende oder verminderte Beinpulse können eine vaskuläre Ätiologie der Claudicatio intermittens bestätigen.
Ist der Puls vorhanden, aber von geringem Volumen und Amplitude, ist er hypokinetisch. Dies könnte auf eine niedrige Herzleistung bei Schock oder Myokardinfarkt hindeuten. Idiopathische dilatative Kardiomyopathie, Klappenstenose, Perikardtamponade oder konstriktive Perikarditis können ebenfalls ein niedriges Herzzeitvolumen und kleine periphere Pulse verursachen.
Schwere Aortenstenosen verursachen einen kleinen Puls, der als pulsus parous et tardus bekannt ist. Es handelt sich um einen Puls mit geringer Amplitude und verzögertem Aufwärtshub (Abbildung 17.1). Er lässt sich am besten an der Halsschlagader ertasten.
Abbildung 17.1
Simultane Aufzeichnung des linksventrikulären und aortalen Drucks bei einem Patienten mit schwerer kalzifizierter Aortenstenose. Der Spitze-Spitze-Druckgradient beträgt mehr als 125 mm Hg. Man beachte die anakrotische Kerbe (A) beim verzögerten Aufwärtshub des Aortenpulses.
Im Gegensatz zu den arteriellen Pulsen mit geringer Amplitude sind die Pulse mit großer Amplitude und hoher Stärke normal. Wenn diese überschießend werden, nennt man sie hyperkinetisch. Angst, körperliche Anstrengung, Fieber, Hyperthyreose und Anämie können einen hyperkinetischen Puls bei einer normalen Person mit einem großen linksventrikulären Schlagvolumen und einem ansonsten normalen Herz-Kreislauf-System verursachen.
Hyperkinetische Pulse können auch auftreten, wenn zusätzlich zu einem großen Schlagvolumen des linken Ventrikels ein schneller peripherer Blutabfluss vorhanden ist. Ein patentierter Ductus arteriosus mit normalem Lungendruck, große arterielle Venenfisteln und eine schwere Aortenregurgitation können diese hyperkinetischen Pulse verursachen. Der Puls einer schweren Aortenregurgitation wird als wasserschlagend und kollabierend beschrieben. Eine schwere Aortenregurgitation kann auch einen Puls im Fingernagelbett verursachen (Quincke-Puls), der sich am besten dadurch nachweisen lässt, dass man eine Stiftlampe auf das Fingerpolster legt und von hinten Licht durch den Fingernagel wirft. Durch Veränderung des Drucks der Lampe auf das Fingerpolster wird der Quincke-Puls sichtbar. Einige dieser Patienten haben einen doppelten systolischen Puls, den so genannten Bisferiens-Puls. Dieser tritt auf, wenn eine Aortenstenose mit einer schweren Aortenregurgitation einhergeht. Diese beiden Wellen werden als Perkussionswelle bezeichnet, gefolgt von einer Tidalwelle – beide in der Systole (Abbildung 17.2). Der Bisferiens-Puls ist stark mit der idiopathischen hypertrophischen subaortalen Stenose assoziiert.
Abbildung 17.2
Eine Karotispulsaufzeichnung von einem Patienten mit schwerer Aortenregurgitation. Man beachte, dass die Perkussionswelle (P) kleiner ist als die Tidalwelle (T), wie es oft der Fall ist. Sowohl die Perkussions- als auch die Tidalwelle treten in der Systole vor der dikrotischen Kerbe (DN) auf.
Neben den doppelt schlagenden systolischen Pulsen, den Bisferiens, gibt es auch doppelt schlagende oder bifide Pulse, bei denen ein Impuls in der Systole und einer in der Diastole auftritt. Diese können beobachtet werden, wenn der periphere Widerstand oder der diastolische Blutdruck niedrig ist. Bei niedrigem Herzzeitvolumen können der systolische und der diastolische Puls nahezu gleich sein und möglicherweise tastbar werden (siehe Abbildungen 17.4 und 17.5).
Abbildung 17.4
Diese Aortendruckkurve (Skala von 0 bis 100 mm Hg) wurde von einem Patienten mit einer schweren dilatativen idiopathischen Kardiomyopathie aufgenommen. Die alternierenden Druckimpulse (A) sind 10 mm Hg niedriger als die vorhergehenden Impulse. Der Pulsus alternans wurde durch einen vorzeitigen (mehr…)
Abbildung 17.5
Dieser Aortendruckimpuls wurde bei einem Patienten mit Perikardtamponade aufgezeichnet (Skala von 0 bis 200 mm Hg). Während der Inspiration (INSP) fällt der systolische Spitzendruck um 20 mm Hg. Die Pulsfrequenz betrug 120 Schläge pro Minute, und die Atemfrequenz war fast (mehr…)
Eine häufige Ursache für einen doppelt schlagenden Puls ist die intraaortale Ballongegenpulsation (Abbildung 17.3). Der Ballonkatheter wird in der absteigenden Aorta unterhalb des Abgangs der linken Arteria subclavia platziert und pulsiert in der Diastole. Der Ballon wird so eingestellt, dass er sich nach dem Verschluss der Aortenklappe ausdehnt. Der Ballon wird evakuiert und kollabiert kurz vor der linksventrikulären Ejektion. Beachten Sie in Abbildung 17.3 den niedrigeren diastolischen Druck (D), dem der linke Ventrikel nach einem Pumpimpuls ausgesetzt ist. Wenn der Pumpimpuls oder der diastolische Druck deutlich höher ist als der vom linken Ventrikel erzeugte systolische Druck, kann der Patient hypovolämisch sein.
Abbildung 17.3
Tafel A zeigt die gleichzeitige Aufzeichnung des linksventrikulären und aortalen Drucks (auf einer Skala von 0 bis 200 mm Hg) bei einem Patienten mit schwerer koronarer Herzkrankheit. Der Aortendruck beträgt 160/90 mm Hg und der linksventrikuläre enddiastolische Druck (mehr…)
Eine weitere Pulsanomalie ist der sogenannte Pulsus alternans. Dabei handelt es sich um einen regelmäßigen Puls mit wechselnder Schlagamplitude bei jedem zweiten Schlag. Er wird mit einer schweren linksventrikulären Insuffizienz jeglicher Ursache in Verbindung gebracht. Diese Amplitudenänderungen werden in einer peripheren Arterie hervorgehoben und sind am einfachsten im Oberschenkelpuls zu erkennen (Abbildung 17.4).
Wenn die Amplitude des Pulses bei der Inspiration dramatisch abnimmt und bei der Exspiration zunimmt, wird dies als Pulsus paradoxus bezeichnet. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Übertreibung eines normalen physiologischen Phänomens. Bei der Inspiration kommt es zu einer gewissen Ansammlung von Blut in der Lunge und einem vorübergehenden Rückgang des venösen Rückflusses in den linken Ventrikel. Daher nimmt das linksventrikuläre Schlagvolumen leicht ab. Wenn der Abfall des systolischen Blutdrucks mehr als 10 mm Hg beträgt, ist er abnormal (Abbildung 17.5). Dies wird häufig mit einer Herzbeuteltamponade in Verbindung gebracht, aber jede Ursache für einen verminderten venösen Rückfluss zum linken Ventrikel kann einen Pulsus paradoxus verursachen. Die Perikardtamponade schränkt die Füllung des rechten Herzens ein, aber auch das Syndrom der Vena cava superior. Darüber hinaus können Asthma, Emphysem oder Atemwegsobstruktion zu Veränderungen des intrathorakalen Drucks führen und große Schwankungen des pulmonalen Blutvolumens und damit des linksventrikulären venösen Rückflusses bewirken. Daraus kann ein Pulsus paradoxus resultieren.
Die gleichzeitige Palpation von zwei Pulsen kann diagnostisch sein. Die Palpation des Radialpulses und des Femoralpulses sollte nahezu gleichzeitige Pulse ergeben. Ist eine Verzögerung zwischen Radial- und Femoralpuls tastbar, deutet dies auf eine Koarktation der Aorta oder zumindest eine Aortenobstruktion unterhalb des Abgangs der linken Arteria subclavia hin. Alle Bluthochdruckpatienten sollten diese Untersuchung durchführen lassen. Ein einseitiges Fehlen des Pulses kann bei der Diagnose eines dissezierten Aortenaneurysmas hilfreich sein.
Wird der Karotispuls auf die Pulskontur und der Femoralpuls auf den Pulses paradoxus abgetastet, so wird der Radialpuls auf Frequenz und Rhythmus abgetastet. Pulsfrequenz und Regelmäßigkeit lassen sich hier leicht ermitteln. Bei fehlendem Radialispuls sollte nach einem Ulnarpuls gesucht werden. Ein unregelmäßiger Puls kann durch Vorhofflimmern, vorzeitige Schläge in den Vorhöfen, der atrioventrikulären Verbindung oder den Ventrikeln sowie durch einen atrioventrikulären Block zweiten Grades verursacht werden.
Ein langsamer, unregelmäßiger hyperkinetischer Puls kann bei einem kompletten Herzblock auftreten. Vorhofflimmern verursacht einen unregelmäßigen, unregelmäßigen Puls. Nicht nur die Pulsfrequenz ist unregelmäßig, sondern auch die Pulsamplitude variiert (Abbildung 17.6). Dies resultiert aus variablen Schlagvolumina während der Systole. Beachten Sie in Abbildung 17.6, wie der systolische Druck von Schlag zu Schlag variiert. Wenn die Herzfrequenz schnell ist, werden einige Pulse möglicherweise nicht an den peripheren Kreislauf weitergeleitet. Die gleichzeitige Auskulation des Herzens und die Palpation des Radialpulses können die Messung eines Defizits zwischen apikalem und radialem Puls ermöglichen. Bei kontrolliertem Vorhofflimmern sollte kein Pulsdefizit vorliegen, d. h. alle zentralen Herzschläge werden an den Radialispuls und den peripheren Kreislauf weitergeleitet.
Abbildung 17.6
Dieser Aortendruckpuls wurde (Skala von 0 bis 200 mm Hg) bei einem Patienten mit schwerer Mitralinsuffizienz und Vorhofflimmern aufgezeichnet. Der systolische Spitzendruck schwankte zwischen 80 mm Hg im vierten Schlag und 110 mm Hg im dritten und sechsten Schlag. Die (mehr…)
Vorzeitige Schläge jeglicher Herkunft können Unregelmäßigkeiten des Pulses verursachen. Wenn sich die vorzeitigen Schläge mit normalen Sinusschlägen abwechseln, entsteht eine Bigeminie. Das Ergebnis kann ein Pulsschlag sein, bei dem sich ein starker Puls mit großer Amplitude (hyperkinetisch) mit einem schwachen Puls mit geringer Amplitude (hypokinetisch) abwechselt (siehe Abbildung 17.7). Bei Unregelmäßigkeiten der Pulsfrequenz oder des Rhythmus ist zur endgültigen Diagnose der Herzrhythmusstörung ein Elektrokardiogramm erforderlich. Das Abtasten des Pulses ist ein altbewährter Teil der körperlichen Untersuchung, der immer noch wichtige Informationen enthält.
Abbildung 17.7
Diese Aortendruckkurve (Skala von 0 bis 200 mm Hg) wurde bei einem Patienten aufgezeichnet, der eine koronare Herzkrankheit und einen Verschluss der rechten Koronararterie hatte. Das Elektrokardiogramm zeigt vorzeitige ventrikuläre Schläge (P) bei Bigeminie. Der Aortendruck schwankt (mehr…)