Acetylcholin (ACh) ist das erste Molekül, das als Neurotransmitter identifiziert wurde. Die cholinergen und cholinozeptiven Bereiche, sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem, sind gut dokumentiert. Es wurde beschrieben, dass Acetylcholin während der Embryogenese die Zellproliferation sowie das Überleben und die Differenzierung von Neuronen und Gliazellen steuert. Beim erwachsenen Menschen sind Acetylcholin und seine Rezeptoren in vielen anderen Geweben als dem Nervensystem verbreitet. In jüngster Zeit wurden für ACh neue physiologische Funktionen in neuronalen und nichtneuronalen Geweben sowie seine mögliche Beteiligung an verschiedenen Pathologien vorgeschlagen. Veränderte ACh-Spiegel oder veränderte Rezeptorexpression und -funktion in ausgewählten Bereichen des Nervensystems wurden bei mehreren neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Huntington sowie bei psychiatrischen Störungen wie Schizophrenie beschrieben. Die für diese Krankheiten charakteristischen kognitiven, verhaltensbezogenen und motorischen Behinderungen werden häufig mit einer Dysfunktion der cholinergen Schaltkreise in Verbindung gebracht. Darüber hinaus hat die Beteiligung von ACh als Modulator von Entzündungen innerhalb und außerhalb des Nervensystems nahegelegt, dass seine veränderten Funktionen einen zusätzlichen pathogenetischen Mechanismus darstellen könnten, der sich negativ auf den Krankheitsverlauf auswirkt, wie kürzlich bei Multipler Sklerose vermutet wurde. Die vorliegende Übersichtsarbeit wird sich darauf konzentrieren, die Ursache-Wirkungs-Beziehung zu identifizieren, die die cholinerge Dysfunktion bei verschiedenen Erkrankungen des Nervensystems erklären könnte. Darüber hinaus werden mögliche therapeutische Neuerungen wie Cholinesterasehemmer, muskarinische Agonisten und Antagonisten sowie die Gentherapie erörtert.