Diskussion
Nach einer ACDF können verschiedene chirurgische Komplikationen auftreten, und die Gesamtkomplikationsrate kann 3,9 % erreichen. Unter diesen Komplikationen liegt die Inzidenz von Ösophagusproblemen bei <31%, und diese sind trotz ihrer Seltenheit gut dokumentiert. Das Pharyngo-Ösophagusdivertikel nach einer ACDF ist jedoch aufgrund seiner extremen Seltenheit nicht gut dokumentiert; seit seiner Erstbeschreibung durch Goffart et al. im Jahr 1991 wurden weniger als 20 Fälle gemeldet. Insbesondere kann eine ACDF leicht als Zenker-Divertikel fehldiagnostiziert werden, welches das häufigste pharyngo-ösophageale Divertikel ist.
Das ACDF-bedingte Divertikel hat eine andere Pathophysiologie als das Zenker-Divertikel. Das Zenker-Divertikel ist ein Pulsationsdivertikel, d. h. ein falsches Divertikel, das die Ösophagusschleimhaut, nicht aber die Muskelschicht betrifft. Man geht davon aus, dass es durch eine Schwäche der Muskelschicht entsteht, so dass nur die Schleimhautschicht herausgezogen wird und einen Beutel bildet. Im Gegensatz dazu ist das ACDF-bedingte Divertikel ein Traktionsdivertikel, ein Produkt der durch dichtes Narbengewebe erzeugten Traktionskraft. Diese Zugkraft schränkt einen bestimmten Teil des Gewebes ein, während sich der andere Teil frei bewegt, was zur Entwicklung eines Traktionsdivertikels führt, an dem alle Schichten der Speiseröhrenwand beteiligt sind. Im vorliegenden Fall fanden wir Adhäsionen und Narbengewebe um das Divertikel herum, die möglicherweise durch Zugkräfte an der früheren Operationsstelle entstanden waren. Das Divertikel umfasste auch eine Muskelschicht.
Je nach Pathophysiologie gibt es zwei Behandlungsüberlegungen. Die erste ist, ob ein endoskopisches Verfahren für die Behandlung eines ACDF-bedingten Divertikels optimal ist oder nicht. Die endoskopische Behandlung eines Ösophagusdivertikels wird inzwischen häufig durchgeführt. Die endoskopische Divertikelektomie ist jedoch mit einigen Schwierigkeiten bei der Behandlung eines ACDF-bedingten Pharynxdivertikels verbunden. Dichtes, dickes Narbengewebe zwischen dem Divertikel und der Ösophaguswand erschwert das Einführen des Endostaplers. Da sich das ACDF-bedingte Divertikel nicht in der hinteren Wand befindet (im Gegensatz zu einem typischen Zenker-Divertikel), kann die Positionierung des Endoskops zur Darstellung des Divertikels problematisch sein. Da Patienten mit einer ACDF zudem Schwierigkeiten haben, den Hals zu strecken, kann der instrumentelle Zugang eine ungünstige Option sein. Darüber hinaus sollte bei Dislokation und Infektion die Entfernung des Materials in Betracht gezogen werden. Im Falle eines ACDF-bedingten Divertikels scheint eine offene Operation angemessen zu sein. Die zweite Überlegung ist, ob eine Krikopharynxmyotomie notwendig ist oder nicht. Allis et al. postulierten, dass, obwohl sich die Pathophysiologie dieser ACDF-bedingten Divertikel von derjenigen der Zenker-Divertikel zu unterscheiden scheint, die Krikopharynx-Myotomie die Schubkräfte verringern und die Divertikelbildung verhindern kann. Da die Barriere zwischen der dünnen Schleimhaut und der Hardware durch die Krikopharynxmyotomie fehlt, ist die Möglichkeit einer postoperativen Fistelbildung erhöht. Da es sich bei einem ACDF-bedingten Divertikel um ein Traktionsdivertikel handelt, ist eine Verstärkung durch den umgebenden Muskel und nicht durch die Krikopharynxmyotomie erforderlich, um eine Ruptur der Reparaturstelle aufgrund von Irritationen durch die Hardware zu verhindern. Es ist jedoch schwierig, einen intakten Muskellappen zu erhalten, da die Narben der vorangegangenen Operation und die Adhäsionen zu groß sind. Wir entschieden uns daher für ein NPWT-System. Das NPWT-System wird häufig bei der Behandlung komplexer Wundprobleme wie Mediastinitis, Fasziitis und offenen Wunden eingesetzt. Wir dachten, dass das NPWT-System die Heilung der Reparaturstelle erleichtern und eine Barriere zwischen dem Gewebe und der Hardware während der vollständigen Wundheilung bilden würde. Daher haben wir das NPWT-System eine Woche lang angewendet, bis die Reparaturstelle vollständig abgeheilt war, und dann die Wunde geschlossen. Wir empfehlen die Verwendung eines NPWT-Systems, wenn die Muskelverstärkung schwierig ist.
Eine weitere wichtige Überlegung ist, ob die Hardware entfernt werden sollte oder nicht. In mehr als 50 % der weltweit gemeldeten Fälle wurde die Hardware entfernt. Wenn jedoch keine Infektion in der Umgebung der Hardware vorliegt oder die Wahrscheinlichkeit einer Instabilität der Wirbelsäule gering ist, verbleibt die Hardware in den meisten Fällen an ihrem Platz. In der Mehrzahl der gemeldeten Fälle wurde die Entscheidung über die Entfernung der Hardware nach Rücksprache mit dem Neurochirurgen getroffen. Wir glauben auch, dass eine ausreichende präoperative Kommunikation mit dem Neurochirurgen notwendig ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein ACDF-bedingtes Divertikel leicht als typisches Zenker-Divertikel fehldiagnostiziert werden kann, ohne dass ein Zusammenhang mit einer früheren ACDF besteht. Obwohl ein Pharynxdivertikel eine seltene Komplikation einer ACDF ist, sollte die Möglichkeit eines Ösophagusdivertikels nicht übersehen werden. Wenn eine genaue Anamnese durchgeführt und die Vorgeschichte einer ACDF berücksichtigt wird, kann die optimale chirurgische Strategie für die Behandlung eines ACDF-Divertikels gewählt werden.