10.29 Einige Gentests sind aus einer Reihe von Gründen, sowohl technischer als auch nichttechnischer Art, nicht ganz zuverlässig. Die Stigmatisierung und Diskriminierung, die sich aus genetischen Tests ergeben können, sind zentrale Anliegen dieser Untersuchung, und diese Bedenken werden akut, wenn ein Test unzuverlässig ist. Fragen im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit genetischer Informationen, einschließlich der Interpretation von Testergebnissen, werden in den Kapiteln 3, 11 und 23 behandelt. Die wissenschaftliche Zuverlässigkeit von Gentests – die wissenschaftliche oder technische Zuverlässigkeit des Tests – wird im Folgenden erörtert.
Wissenschaftliche Zuverlässigkeit
10.30 Die wissenschaftliche Zuverlässigkeit eines Gentests kann durch eine Reihe von Faktoren beeinträchtigt werden, wie z.B. Probenkontamination, fehlerhafte Labortestverfahren, falsche Etikettierung und Transkriptionsfehler. Obwohl in den letzten Jahren der Entwicklung von Strategien in bezug auf die ethische und rechtmäßige Nutzung genetischer Informationen große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wurde weniger über die Auswirkungen fehlerhafter Informationen diskutiert.
10.31 Jedes Laborprüfverfahren, egal wie gut es etabliert ist, birgt die Möglichkeit von Fehlern. Dies gilt auch für Gentests. Mit der PCR-Methode zur DNA-Vervielfältigung können beispielsweise winzige DNA-Mengen auf eine Weise vervielfältigt werden, die das Testen erleichtert. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Probe mit fremdem genetischen Material verunreinigt wird, z. B. von zuvor amplifizierten Produkten oder vom Bediener, wodurch Kopien irrelevanter DNA entstehen. Außerdem gibt es gelegentlich Fehler bei der Sequenztreue der amplifizierten Produkte, die zu Ablesefehlern führen.
10.32 Die wissenschaftliche Zuverlässigkeit eines Gentests wird an der „Sensitivität“ und „Spezifität“ des Tests gemessen. Dies sind Fachausdrücke, die sich jedoch im Wesentlichen auf die statistische Wahrscheinlichkeit beziehen, dass ein „wahres Positiv“ ein positives Testergebnis liefert und dass ein „wahres Negativ“ negativ ist. Kliniker und Patienten wünschen sich eine 100%ige Genauigkeit. Allerdings sind nur wenige Labortests derzeit zu mehr als 98 % empfindlich und spezifisch.
10.33 Außerdem muss jedes Testergebnis individuell interpretiert werden, was eine weitere Möglichkeit für Fehler darstellt. Da Gentests als „wissenschaftlich“ gelten, können viele Laien übermäßiges Vertrauen in ihre Aussagekraft und ihren Vorhersagewert setzen. Infolgedessen erhält eine kleine Anzahl von Personen, die sich einem Gentest unterziehen, ungenaue Informationen über ihren genetischen Status. Unabhängig davon, ob es sich dabei um das Trauma eines falsch positiven Ergebnisses oder um die trügerische Gewissheit eines falsch negativen Ergebnisses handelt, haben beide Arten von Fehlern wahrscheinlich entscheidende Auswirkungen auf den Einzelnen, der sein Leben auf der Grundlage des Testergebnisses planen könnte. Da die Mitglieder einer Familie die gleichen Gene und die gleiche DNA haben, kann jeder Fehler in einem Gentest langfristige Auswirkungen sowohl für die getestete Person als auch für ihre Familie haben. Prädiktive Tests sind für diese Schwierigkeit besonders anfällig, weil es lange dauern kann, bis der Fehler erkannt wird.
Betrug
10.34 Ein weiteres Problem mit der Zuverlässigkeit von Gentests ist die Möglichkeit des Betrugs. Die Untersuchung hat eine Reihe von Eingaben erhalten, die darauf hindeuten, dass die Laborprotokolle nicht ausreichend gegen vorsätzliche Eingriffe in die getesteten Laborproben schützen. Zum Beispiel beschrieb ein Rechtsanwalt die Behauptung eines Mandanten, daß eine gegnerische Partei in einem familienrechtlichen Verfahren ein Labor bestochen oder anderweitig die Ergebnisse von Abstammungstests gefälscht habe.
10.35 Wie in Kapitel 11 erörtert, wird die wissenschaftliche Zuverlässigkeit von Gentests durch Akkreditierungsstandards geregelt, die von der NATA und anderen Gremien verwaltet werden. Die Akkreditierung eines Labors nach den besten technischen und wissenschaftlichen Standards ist jedoch keine Garantie gegen vorsätzliche Täuschung durch seine Mitarbeiter. Obwohl der Untersuchung konkrete Beispiele von möglichem Laborbetrug zur Kenntnis gebracht wurden, liegen der Untersuchung keine Beweise für das Auftreten von betrügerischen Prüfungen in Australien vor. Nichtsdestotrotz zeigt die Möglichkeit von Betrug, die in der obigen Eingabe aufgezeigt wurde, dass diese Angelegenheit weiterhin Anlass zur Sorge gibt.
R Trent, Molecular Medicine: An Introductory Text (2nd ed, 1997) Churchill Livingstone, 20.
R Linsk, Konsultation, Sydney, 20. Februar 2001.
Im forensischen Kontext, siehe Kap. 44.
N Turner, Einreichung G083, 14. Januar 2002; vertrauliche Einreichung G074ACON, 10. Januar 2002.
N Turner, Einreichung G099, 22. Februar 2002. Siehe ferner Kap. 35.